Zahlenspielereien und Definitionen rund um das Thema Arbeitsmarkt und Erwerbslosigkeit
Eigentlich war das Folgende als Sammelsurium von mir in eine Gruppe hier in FB gepostet worden… und genau darin liegt die „Gefahr“ – es muss halt im Gesamtkontext betrachtet und „bewertet“ werden.
Zunächst eine der typischen Meldungen zum Arbeitsmarkt Stand Juli 2012:
Zitat „Auch die deutsche Bundesagentur für Arbeit (BA) hat neue Zahlen vorgelegt, diese beziehen sich jedoch schon auf den Juli. Zu beachten ist zudem, dass die EU-Statistiker die Arbeitslosenquote nach anderen Kriterien als die BA berechnet. Deshalb weichen die EU-Angaben von denen aus Nürnberg ab.
Laut BA-Statistik ist die Zahl der Arbeitslosen im Juli auf 2,876 Millionen gestiegen. Das seien67.000 mehr gewesen als im Juni, aber noch 63.000 weniger als vor einem Jahr. DieArbeitslosenquote stieg im Monatsvergleich nach deutschen Kriterien um 0,2 Prozentpunkte auf 6,8 Prozent. “ Zitat Ende
Quelle: http://www.handelsblatt.com/politik/konjunktur/nachrichten/saisonabschwung-arbeitslosenquote-steigt/6942892.html
Natürlich wissen die meisten Menschen (hoffentlich), dass die Zahlen „geschönt“ sind – so fallen aus der Statistik Menschen heraus, die über 58 Jahre alt sind und im letzten Jahr keinen Vermittlungsvorschlag erhielten… weiterhin werden nicht mitgerechnet… vorrübergehend Erwerbsunfähige, Teilnehmer von Maßnahmen, Fortbildungen… Ein-Euro-Jobber… Alleinerziehende, die aufgrund des Alters des Kindes noch nicht vermittelbar sind und alle diejenigen, die nicht mehr durch die BA/JobCenter/AA, sondern über Drittanbieter „vermittelt“ werden sollen.
So wird aus dem Monatsbericht Juli 2012 (Seite 67)
http://statistik.arbeitsagentur.de/Statischer-Content/Arbeitsmarktberichte/Monatsbericht-Arbeits-Ausbildungsmarkt-Deutschland/Monatsberichte/Generische-Publikationen/Monatsbericht-201207.pdf
der BA ersichtlich, dass „ungeschönt“ etwa 3,6 Mio. Menschen erwerbslos sind.
Und selbst das „passt“ noch nicht.
Hierzu eine Pressemitteilung aus Dez. 2011 Zitat: „Der Deutsche Landkreistag hat heute die SGB II-Empfängerzahlen (Hartz IV) für den Monat Dezember veröffentlicht. Von den aktuell 6,2 Mio. Leistungsempfängern sind nur 4,5 Mio. erwerbsfähig (72 %) , davon werden wiederum nur knapp 2 Mio. als arbeitslos gezählt (32 % aller SGB II-Leistungsempfänger). Deshalb ist die Entwicklung der SGB II-Leistungsempfängerzahl von größerer Bedeutung als die Zahl der statistisch erfassten Arbeitslosen.
Die statistische Abbildung der Arbeitslosigkeit und deren Entwicklung haben einen sehr geringen Aussagewert für
die soziale Situation der SGB II-Leistungsempfänger.
Dies hat seine Ursache darin, dass nur drei von vier Leistungsempfängern als erwerbsfähig gelten und davon wiederum weniger als die Hälfte als „arbeitslos“ im Sinne der statistischen Messung zählt. Deshalb werden nur 32 % der Hartz IV-Empfänger im Rahmen der Arbeitslosenzahlen erfasst. Vor diesem Hintergrund muss der Zahl der SGB II-Leistungsempfänger, die mehr als doppelt so groß ist wie die Zahl der „Arbeitslosen“, mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden. “ Zitat Ende
Quelle und vollständiger Artikel: http://www.kreise.de/__cms1/presseforum/pressemitteilungen/681-pressemitteilung-vom-3-januar-2012.pdf
Also eigentlich ganz „einfach“ – Bezieher von ALG II und ALG I zusammenrechnen – Doppelbezieher in Abzug bringen und Aufstocker in Abzug bringen, die sich abzüglich der Freibeträge auf Erwerbstätigkeit „selbst erhalten könnten“ – und schon haben wir recht realistische Zahlen.
Diese bewegen sich weit oberhalb der o.a. Angaben zur Erwerbslosigkeit!
Aus dem Methodenbericht-Arbeitslosigkeit-Unterbeschaeftigung der BA:
Zitat: „Im SGB II gibt es folgende typische Fallkonstellationen, in denen erwerbsfähige
Hilfebedürftige nicht als arbeitslos geführt werden:
(1) Beschäftigte Personen, die mindestens 15 Stunden in der Woche arbeiten, aber wegen zu geringem Einkommen bedürftig nach dem SGB IIsind und deshalb Arbeitslosengeld II erhalten, werden nicht als arbeitslos gezählt, weil das
Kriterium der Beschäftigungslosigkeit nicht erfüllt ist.“ Zitat Ende
Quelle: http://www.lebens-phase.de/forum/attachment.php?attachmentid=5611&d=1325682469
Übrigens generell lesenswert… Damit ist weiterhin klar, dass viele Mini-Jobber/Geringfügig Beschäftigte, die gleichzeitig Leistungen nach dem SGB II beziehen, nicht als Erwerbslose gewertet/erfasst werden.
Ebenfalls interessant: http://statistik.arbeitsagentur.de/Statischer-Content/Arbeitsmarktberichte/Interpretationshinweise.pdf
Wie kommt die Bundesagentur für Arbeit zu den gemeldeten Stellen?
Das ist u.a. hiernachlesbar: http://www.nachdenkseiten.de/?p=10145
Noch mehr Zahlen und Definitionen:
„Ich vermute, dass es hauptsächlich Leute sind, die ein geringes Einkommen haben und die nicht
für 5 oder 10 Euro mehr zum Amt gehen wollen, den gesamten Verwaltungsaufwand und die damit
verbundene Kontrolle nicht auf sich nehmen wollen. Berechnungen gehen von 4,9 Millionen Menschen
aus, die in Deutschland noch zusätzlich Anspruch auf Hartz IV hätten.“
Quelle: http://www.tagesschau.de/inland/interviewlenzehartziv100.html
… die geschätzten 4,9 Mio. sind zwar ggf. nicht arbeitslos (im Sinne irgendeiner Definition – welcher auch immer…), allerdings lassen sie Rückschlüsse in Hinblick auf prekäre Beschäftigung respektive „Unterbeschäftigung“ zu.
In diesem Zusammenhang ist die Definition des „Fachkräftemangels“ ebenfalls interessant:
Zitat: „Fachkräftemangel herrscht nach BA-Definition dann, wenn Stellen länger als im Durchschnitt unbesetzt bleiben und es weniger als 150 Arbeitslose pro 100 Jobangebote gibt – oder wenn es dort sogar weniger Arbeitslose als gemeldete Stellen gibt.“ Zitat Ende
Quelle: http://www.tagesschau.de/wirtschaft/fachkraeftemangel110.html
… und, was bedeutet das Alles?
Zitat: „Von den knapp 31 Millionen abhängig Beschäftigten sind nur etwa 23 Millionen oder nur knapp drei Viertel sog. Normalerwerbstätige. Über 25 Prozent oder knapp 8 Millionen sind atypisch Beschäftigte. Darunter über fünfeinhalb Millionen Frauen und rund 2,3 Millionen Männer.
Knapp 5 Millionen dieser atypisch Beschäftigten sind Teilzeitzeitbeschäftigte (bis zu 20 Wochenstunden) und zweieinhalb Millionen sind geringfügig Beschäftigte. Besonders stark zugenommen hat die Zahl der Zeitarbeitnehmer/innen (also der Leiharbeiter/innnen), nämlich um 32,5 % von 2009 auf 2010 und um insgesamt 21,2% von 2008 auf das Jahr 2010, auf nunmehr knapp eine drei Viertel Million Leiharbeitnehmer/innen oder fast
zweieinhalb Prozent aller abhängig Beschäftigten. (Auf einer inzwischen nicht mehr zugänglichen Seite des Bundesarbeitsministeriums aus dem Jahr 2011 ist sogar von 870.000 Leiharbeitnehmer/innen die Rede.) “ Zitat Ende
Quelle und vollständiger Artikel: http://www.nachdenkseiten.de/?p=10145
Dazu passt eine Meldung des ZDF aus Herbst 2011, die leider nicht mehr erreichbar ist
Zitat: „Immer mehr Deutsche bekommen Teilzeitstellen Jobwunder oder Teilzeitboom? In Deutschland gibt es mehr Erwerbstätige – aber nicht mehr Arbeitsstunden. Der Grund: Die Zahl der Teilzeitsarbeitsplätze ist laut einer DIW-Studie stark gestiegen. Nicht alle arbeiten freiwillig weniger. Der Zuwachs von Teilzeitstellen ist in den vergangenen Jahren einer Studie zufolge in Deutschland stärker ausgefallen als in den meisten anderen europäischen Ländern. Von 2000 bis 2010 habe die Zahl der Teilzeitstellen hierzulande um drei Millionen auf insgesamt rund zehn Millionen zugenommen, ergab eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin. “ Zitat Ende
Fazit: Wir haben um die 5 Millionen Erwerbsarbeitslose (ohne Dunkelfeld/Dunkelziffer und ohne Empfänger von Leistungen nach dem SGB XII) ca. 8 Millionen prekär Beschäftigte (sog. Unterbeschäftigte) – Tendenz steigend… also 13 Millionen Menschen in Armut und Aussichtslosigkeit – und nur (!) 23 Millionen „regulär“ Erwerbstätige.
Diese Zahlen mag so natürlich kaum jemand gegenüberstellen. Übrigens… die Bundesrepublik hat derzeit ca. 82 Millionen Bürger/Einwohner!
Lebensphase – Kristin Blank
Die Zahlen sind doch alle nur manipuliert oder durch unsinnige Massnahmen geschönt, anders bekommt unser System keine positiven Zahlen.
David aus Hellersdorf