Seit längerer Zeit häufen sich die Situationen in denen ich darüber nachdenke ob ich die Piraten verlassen soll oder nicht. Auch wenn es mir sehr schwer fällt, so habe ich mich jetzt trotzdem dazu entschieden aus der Partei aus zutreten. Ich will Euch meine Beweggründe hierfür nicht vorenthalten:
Die Piraten sind für mich nach wie vor, die Partei mit dem demokratischsten und subjektiv auch besten Programm. Ich gehe nicht im Zorn und ich bin froh, dass ich so viele denkende, kluge und soziale Menschen kennen gelernt habe.
Selbstzerfleischung und Gates
Die Piraten verstehen es besser als alle anderen Parteien, sich in der Öffentlichkeit in aller Härte selbst zu zerfleischen. Ein #gate folgt auf das andere und im Zweifelsfall läuft es wie im Fußball: Der Trainer ist schuld und deshalb wird auf dem ehrenamtlichen Vorstand rum getrampelt. Ich wollte das Spiel im Großen ganzen nicht mitspielen, weswegen ich auch viele für diesen Blog geschriebene Artikel nicht veröffentlicht habe. Ich gehe zwar davon aus, dass das bei anderen Parteien nicht anders läuft aber die machen das dann nicht so öffentlichkeitswirksam.
Presse
Leider sind die Piraten in der Presse aus welchen Gründen auch immer nur sehr selten vertreten. Der Presse ist es im Regelfall auch wichtiger darüber zu berichten wenn ein CDUSPDsonstnscheiß Parteimitglied in der Gartenlaube ein Faß aufmacht als wenn Piraten eine Infoveranstaltung machen. Ich könnte hier weiter ins Detail gehen mache ich aber nicht. Fakt ist, dass es schwierig ist gute Politik zu machen und aktive Mitglieder zu gewinnen, wenn die Presse nur sehr selten etwas veröffentlicht und die Piraten häufig als ein Haufen verkleideter Spinner dargestellt werden.
Mangelnde personelle Ressourcen
Nach der legendären Wahl in Berlin hatten die Piraten einen Mitglieder-Boom. Die meisten der spontanen neuen Mitglieder sind aber auch wieder aus dem aktiven Kreis verschwunden und neue Mitglieder kann man an einer Hand abzählen. Durch die erwähnten #gates, das mangelnde positive Medienfeedback und anderen Gründen wurde die Situation immer schwieriger und immer mehr Arbeit wurde auf immer weniger Schultern verteilt. Im Gegenzug war die Erwartungshaltung der Öffentlichkeit an die Partei stark gewachsen und dem konnte die Partei auch nicht standhalten.
Keine Lobbygelder
Mit Geld geht vieles einfacher. Es können externe Dienstleistungen eingekauft oder eigene Mitarbeiter eingestellt werden. Große Werbekampagnen lassen sich finanzieren und vielleicht lässt sich sogar der ein oder andere Pressevertreter kaufen.
Erstens ist das nicht der Politikstil der Piraten, zweitens nehmen die Piraten keine Unsummen irgendwelcher unseriöser Geschäftspartner (wie es in anderen Parteien üblich ist) und drittens sind die Punkte eins und zwei leider noch nicht beim Wähler angekommen. In der Politik läuft es aber wie bei der Musik: Wer bezahlt bestimmt die Songs!
Verwaltung statt Politik
Die Piraten sind in allem so korrekt, dass sie mehr Zeit auf die Verwaltung verwenden müssen als auf die eigentliche Politik. Das bindet knappe personelle Ressourcen und bietet eine hervorragende Möglichkeit neue #gates aufzumachen, Arbeit liegen zu lassen und sich in ewigen Diskussionen zu verstricken. ES NERVT!
Systemkonformität statt Revolte
Ich bin bei den Piraten eingetreten, weil mir das Programm sehr zugesagt hat (Trennung von Kirche und Staat / BGE / …) und weil ich das Gefühl hatte, dass man bei den Piraten die eigene Meinung verbreiten kann, solange dies nicht im Namen der Partei geschieht. Spätestens seit dem #bombergate wissen wir, dass Piraten anscheinend kein Recht mehr haben die eigene Meinung zu äußern. (Ich halte auch nichts von Annes Aktion, aber sie hat das Recht dies als Person – nicht als Pirat – zu tun)
Auch bei uns im KV habe ich immer häufiger Bedenken wahrgenommen, wie das ein oder andere in der Presse oder von der Öffentlichkeit wahrgenommen werden könnte. Das ist Umfragenpolitik 1.0 mit der ich nichts zu tun haben will. Ich habe eine Meinung und wem sie nicht passt der kann mich ablehnen oder versuchen meine Meinung zu ändern. Ich werde mich bei niemandem einschleimen um politisch etwas zu erreichen!
Auch der Grundgedanke wir könnten bei den CDU Wählern vielleicht negativ auffallen und deshalb sollten wir uns etwas benehmen ist mir gänzlich unverständlich. Hey, das sind CDU Wähler die sind sowieso weitestgehend merkbefreit. Was juckt’s die Eiche ob sich der Eber an ihr schabt?
Meiner Meinung nach sind wir vor ein paar Jahren genau deswegen gewählt worden, weil wir nicht brav und systemkonform waren.
Wahlergebnis Bundestagswahl / Resonanz der Veranstaltungsreihe
Das Wahlergebnis der Piraten bei der Bundestagswahl war frustrierend, noch schlimmer fand ich aber das Ergebnis von CDU und (S)PD, weil es mir deutlich gezeigt hat dass sich die Bevölkerung überwiegend auf Bildzeitungsniveau bewegt und es nahezu keine Schnittpunkte vom Wahlergebnis zum wirklichen Verhalten und der Aktivität der Regierungspolitiker zu den Menschen gibt. Es ist zwar klar, dass die Wähler von den Medien gebeetsmühlenartig vorgegaukelt bekommen, dass sie nur die Wahl zwischen CDU und (S)PD haben aber jeder hätte die Möglichkeit den eigenen Kopf zu bemühen und hinter die Fassade zu sehen.
Dieser Eindruck des gänzlich unmündigen und somit demokratieunfähigen Wählers hat sich bei mir dadurch erhärtet, dass eine von mir organisierte Veranstaltungsreihe mit interessanten Themen nahezu keine externen Besucher angelockt hat. So hat z.B. Marcell Kallwass über menschenverachtende Interna der Jobcenter gesprochen, wir hatten eine Kryptoparty oder unser EU Kandidat Stevan Cirkovic informierte über TTIP. Das sind Themen von denen jeder betroffen ist oder nur knapp vor der Betroffenheit steht. Das komplette Desinteresse daran, was andere über das eigene Leben bestimmen finde ich sehr beschämend für die meisten Mitbürger.
Die Piraten sehen sich als Mitmachpartei! Aber was bringt eine Mitmachpartei, wenn so gut wie niemand die Notwendigkeit zum mitmachen bemerkt? Dass wir einen Schritt vor dem Abgrund stehen und uns nur noch die Augenbinde „schützt“ wollen die wenigsten erkennen.
Wahlkampf für die Stadtratswahl in Ludwigshafen
Auch bei der Stadtratswahl in Ludwigshafen war die Knappheit der aktiven Mitglieder wieder ein Problem. Zu dem Zeitpunkt als andere angefangen haben die Plakate aufzuhängen haben wir bemerkt, dass wir uns darum nicht gekümmert hatten. Die Aktiven waren auch mit der antidemokratischen Notwendigkeit befasst, Bürger um wertvolle persönliche Daten anzubetteln und Unterstützerunterschriften zu sammeln, damit die Piraten überhaupt zur Wahl zugelassen wurden.
Ich habe mich besser spät als nie bereit erklärt mich um die Werbung zu kümmern. Mein Konzept war auf drei Punkte aufgebaut. 1. bezahlbar, 2. personell machbar, 3. Kopfplakate.
Anstatt sich für dieses Konzept zu entscheiden wurde lieber darüber geredet was alles besser sein könnte (ohne zu berücksichtigen dass es mit wenigen Leuten nicht machbar ist). Nachdem das Konzept so nicht angenommen wurde und auch bis auf Heinz und Chris niemand bereit war daran mitzuarbeiten war es für dieses Konzept auf Grund der Produktionszeiten dann auch zu spät. Immerhin die Kopfplakate und Flyer habe ich im Entwurf noch fertig gemacht aber dafür dann auf Grund eines falsch formulierten Antrags keine Druckfreigabe bekommen. (Vielleicht waren es noch andere Kleinigkeiten, das war mir dann egal weil ich aufgegeben hatte) Ende des Lieds war, dass wir nur alte oder EU Plakate hatten und keinerlei Infos zu unseren Spitzenkandidaten. (Dies ist aber speziell bei Kommunalwahlen notwendig)
Quotenfrau im KV
Unsere Quotenfrau ist für mich der Tropfen der das Fass zum überlaufen bringt!
Vorgeschichte:
Da wir auf Grund der schlechten Werbung aber auch auf Grund dessen, dass wir unsere Kandidatenliste nicht wie andere Parteien mit Statisten aufgefüllt haben gerade mal so unseren Spitzenkandidaten „Heinz Zell“ in den Stadtrat schicken konnten waren wir in der Folge auf einen Fraktionspartner angewiesen, damit wir überhaupt arbeitsfähig werden. (Mit einem einzelnen Stadtrat ohne Fraktion gibt’s z.B. kein Antragsrecht und auch keine Chance darauf in Ausschüsse oder Gremien gewählt zu werden)
Die Bildung dieser Fraktion obliegt dem gewählten Stadtrat. Dies kann auch ohne die explizite Zustimmung der Parteibasis erfolgen. Heinz hat das allerdings sehr gewissenhaft, ordentlich und so transparent wie möglich gemacht. Nach mehreren Sondierungsgesprächen zeichnete sich eine Fraktion mit den Grünen ab, die ich auf Grund der mir vorhandenen Informationen auch mittragen konnte.
Im letzten Schritt der Verhandlungen ging es um die Verteilung der Posten in den Gremien und Ausschüssen.
Besetzung für den Sozialausschuss
Für den Sozialausschuss standen von Piratenseite zwei Personen zur Auswahl. Da solche Entscheidungen bei Piraten auf Grund von Eignung und nicht auf Grund vom Geschlecht gefällt werden habe ich mal eine Tabelle mit Entscheidungskriterien erstellt um die Entscheidungsfindung zu verdeutlichen
Sandra | Sebi | |
Soziales – Spezialthema | 1 | 4 |
Platzierung auf der Kandidatenliste | 1 | 4 |
Zeitliche Verfügbarkeit* | 1 | 3 |
Bisheriges Engagement | 2 | 4 |
Vernetzung | ??? | 3-4 |
Frau | 5 | 0 |
Ich vergebe 1-5 Pluspunkte für zutreffend / geeigent |
* Bei der zeitlichen Verfügbarkeit habe ich meine Bewertung getroffen, weil ich aktuell auch wesentlich weniger Zeit habe als in der Vergangenheit und weil Sandra immer sagt dass sie Mittags keine Zeit hätte weil sie arbeiten müsse.
Weitere Punkte:
- Sandra steht dem BGE sehr kritisch gegenüber und ist sozial so gut abgesichert, dass ein unmittelbarer Bezug zum Thema nicht gegeben ist.
- Sandra ist weder bei den Stammtischen regelmäßig anwesend noch tritt sie sonst irgendwie öffentlich in Erscheinung (Parteitage, Demos, Infostände, Facebook, Blog…)
Ergebnis:
- Sandra ist die perfekte Frau für die Grünen. Weibliche Akademikerin ohne durch die Grünen verursachte Existenznot, unproblematisch und systemkonform. Massiver Wille nicht unangenehm aufzufallen und dadurch sehr geeignet gar nicht aufzufallen.
Ich weise explizit darauf hin, dass ich Heinz für diese Entscheidung keinen Vorwurf mache! Meiner Meinung nach wurde er von den feministisch diskriminierenden Hartz IV Einführern der Grünen in den Verhandlungen gefressen, ohne dass er eine Chance hatte dies zu bemerken.
Mögliche Konsequenzen:
Der Gender GAU wurde aufgedeckt, was soll ich / was sollen wir jetzt tun???
Wie immer gibt es mehrere Möglichkeiten die ich erkenne und wahrscheinlich auch noch einige die ich nicht erkenne:
Sandra tritt freiwillig zurück | Das hätte sie selbst bemerken sollen, ich will das nicht mit der Brechstange erreichen. |
Die Piraten würde aus der Fraktion aussteigen | Das wäre von Karakter geprägt, würde den Piraten aber mühsam erkämpfte Möglichkeiten nehmen und wird daher abgelehnt (Willkommen in der Politik 1.0) Wir machen Deals die gegen die piratigen Grundprinzipien gehen, herzlichen Glückwunsch! |
Ich kann mit Sandra zusammenarbeiten | Das ist schwierig, weil wir in den mir bekannten sozialen Themen unterschiedliche Auffassungen und auch einen gänzlich anderen Stil haben. Trotzdem wäre ich dazu bereit, aber nur wenn ich im Sozialausschuss wäre und sie mitarbeiten wollte. |
Ich verlasse die Partei und bin mal wieder auf Grund meines Geschlechts unterdrückt worden. | So ist die Femtroll Realität. Deswegen gehe ich. |
Ich habe nach der internen Bekanntgabe mit Heinz darüber geredet und mir das ganze noch einige male sehr intensiv durch den Kopf gehen lassen. Gestern beim Piratentreffen habe ich meine Ansicht dem KV mitgeteilt und Thorsten Müller der Kreisvorsitzende hat sowohl bei den Nachfragen als auch bei den Beschwichtigungsversuchen einen guten Job gemacht. An meiner Meinung hat sich allerdings nichts geändert. Ich werde auf Grund meines Geschlechts diskriminiert.
Allen, die sich beim Treffen erpresst gefühlt haben sei gesagt, dass ich niemanden erpressen wollte und dies auch nicht habe. Ich habe die Möglichkeiten dargestellt und wollte Euch sogar die Möglichkeit geben in meiner Abwesenheit eine Position dazu zu finden. Der Schuh, nur auf Grund einer Erpressung noch bei den Piraten zu sein ziehe ich mir nicht an. Wobei Sandra wohl langfristig einen Quotenklotz ans Bein gebunden bekommen hat. Auf diese Art haben die Grünen immerhin zwei Piraten mit einer Klappe geschlagen. Weiter so liebe Sozialabschaffer- und Diskriminierungspartei.
Diese Entscheidung war weder demokratisch getroffen noch ist sie logisch zu erklären. Sorry, aber das ist nicht mehr meine Partei!
Hallo Sebi
es tut mir leid, dass du resignierst.
Aber gerade solche Leute wie Dich brauchen wir doch in der AG Sozialpiraten und der AG bedingungsloses Grundeinkommen. Willst Du es Dir nicht noch mal überlegen, Deine Ideen wenigstens in diese AGs einzubringen? Und wenn als Freibeuter, wenn Du an Deinem Austritt festhalten willst.
Basaltpirat Manfred
Nur eines hast du vergessen, du Unverstandener: mit mir zu reden! Ich habe mich um diesen Ausschuss nicht gerissen, ich wollte in den Jugendausschuss oder zum Sport! Und was deine Liste angeht, muss ich dir sagen, dass du vieles, das ich mache, offensichtlich nicht mit bekommst.
Schade, Sebi, ich hätte nämlich gerne mit dir zusammen gearbeitet. Aber ich habe die Erfahrung gemacht, dass man mit vielen Worten oft mehr erreicht als mit der Brechstange. Ich hoffe trotzdem, dass wir.jetzt keine Feinde sind und vielleicht sehen wir uns in 5 Jahren nicht nur im Ausschuss, sondern im Stadtrat wieder. Bis bald! Sandra